Warum in die Ferne schweifen, wenn doch das Gute liegt so nah?
  oder
wie alles begann!

Hier am Dürren Maar lebte einmal ein König im prächtigsten Palast, den Ihr Euch vorstellen könnt.

Kein Ding, dass sich darin befand gab es noch einmal auf der Welt. Selbst im Palastgarten wuchsen nur besondere Bäume und blühten die seltsamsten und seltensten Blumen. Auch alle Tiere waren aus den fernsten Ländern hierher gebracht worden. Der Park und das Schloss wurden intensiv und sorgfältig gepflegt, damit die Tiere und Pflanzen überhaupt hier leben konnten. Es gab nichts in Haus und Garten des Königs, was seinen Ursprung und Lebensraum im Fürstentum hatte. Seine Räte und Minister befanden immer: „Zu geringwertig für seine Majestät; für Seine Majestät nur das Beste und Schönste!“ und befestigten ein großes Schild aus Gold am Schlosstor. Darauf stand: „Für alles Gewöhnliche Eintritt verboten!“

Nur die Nachtigall, dieser kleine unscheinbare graue Vogel, erhielt eine Ausnahmegenehmigung. Nicht, weil dem lieben Gott bei der Erschaffung der Tiere die Farbe zum bemalen ihrer Federn ausgegangen wäre, und ihr zum Trost eine schöne Stimme gab (aber das ist eine andere Geschichte), nein: dieser Vogel war für den König etwas besonderes weil sie jedes Frühjahr aus dem fernen Afrika kam, dem Kontinent, wo auch die Löwen, Elefanten, Nashörner, Giraffen zu Hause sind, die ja auch in seinem Schlosspark lebten.

Jede Nacht erfreute sie ihn mit ihrem Gesang; aber der König musste auch mal schlafen. Daher bat er sie, ihren Gesang zur Morgenstunde und tagsüber erklingen zu lassen. Die Nachtigall erfüllte diesen Wunsch, weil sie als gewöhnlicher grauer Vogel im Schlosspark wohnen und dort ihre Jungen großziehen wollte.
Aber eines Tages kam sie zu ihm geflogen und rief: „Majestät, ich muss mich verabschieden! Ich mache wieder Winterferien in Afrika. „Nein!“, schrie der König und stampfte mit dem Bein auf den Boden. „Ich verbiete es Dir! Schließlich bleiben die Löwen, Nashörner, Elefanten und Giraffen auch hier.“
Aber die Nachtigall rief nur mit kesser Stimme: „Ich bedauere!“ und flog davon.

Zuerst war der König wütend. „So ein undankbares Ding!“ fluchte er. Dann wurde er sehr traurig; er vermisste den schönen Gesang und dachte an das ferne Afrika. Da schenkten ihm seine Räte und Minister die schönsten und teuersten Spieluhren. Keine war wie die andere. Jede ließ eine neue und noch schönere Melodie erklingen. Doch keine konnte es mit dem Gesang der Nachtigall aufnehmen und bald sprach es sich im ganzen Land herum, dass sich die Räte und Minister keinen Rat mehr wussten, wie sie ihren Fürsten aufmuntern konnten.

Eines frühen Morgens aber wurde der Fürst durch eine wundersame Melodie durch das geöffnete Fenster seines Schlafgemachs geweckt. Er war sofort hellwach und rief freudig erregt:“ Die Nachtigall, die Nachtigall, so hört doch, die Nachtigall ist wieder da! So schön hat sie noch nie gesungen!“ Er sprang aus dem Bett und lief zum Fenster um sie zu begrüßen. Aber, oh Schreck, er sah einen anderen Vogel im Geäst des Baumes sitzen und die schönen Liedstrophen schmettern: dieser Vogel war schwarz, ja, ganz schwarz und hatte einen dottergelben Schnabel! War die Nachtigall in Afrika zu Nahe an die Sonne geflogen? „Wer bist Du?“ fragt der König. „Wo kommst Du her? Ich kenne Dich nicht!

Der schwarze Vogel mit dem dottergelben Schnabel antwortete: „ Ja, Majestät; und doch bin ich ein ganz gewöhnlicher Vogel Deines Reiches. Darum hast Du bisher auch nie auf meinen Gesang gehört. Denn als gewöhnlicher Vogel war auch ich zu gering für Deinen Palastgarten und wurde ausgesperrt!“ „Zu gering?“ rief der König. „Du singst doch schöner als die Nachtigall!“

Und mit einem mal erkannte er, dass es nicht klug ist, nur in die Ferne zu blicken und dabei die Kostbarkeiten in der Nähe zu übersehen. Er ließ sofort das Verbotsschild am Schlossparktor entfernen und erfreute sich bald an all den schönen Blumen und Tieren seines Landes, erfreute sich am Gezwitscher der vielen Vögel, aber vor allem am Gesang der Amsel, den er und seine Räte und Minister früher nicht mehr bemerkten, weil er für sie alltäglich war.

Und daraus kann auch das Sprichwort gedeutet werden: „Warum denn in der Ferne schweifen, wenn doch das Gute liegt so nah!“

...und was passierte dann?

Nun,
das Schloss ist im Maar versunken; über der Stelle ist jetzt Gras und Moor gewachsen. Hier sehen wir noch die Reste des Wassergrabens um den Palasthügel und dort drüben kann man noch Bruchstücke der Palastgartenmauer finden. Der Park mit seinen exotischen Tieren und Pflanzen wurde nicht mehr gepflegt, verkam ganz und wurde von den „gewöhnlichen“ Schönheiten unserer heimischen Natur verdrängt.

Der König schützte nun die Natur seines Reiches und hatte Verständnis für alle Tiere und Pflanzen. Über die Naturschutzarbeit verliebte er sich in die Hetschenkönigin, die ihm Vieles erklären konnte, was ihm bisher nicht bekannt war. Er wollte so sein wie sie und erinnerte sich an ein altes Märchen, wo eine Prinzessin den Frosch aus dem Brunnen geküsst hatte, und sich dieser Frosch nach dem Kuss in einen Königssohn verwandelte.
„Nun“, dachte der König, „vielleicht funktioniert es bei mir und Regina“, so heißt die Hetschenkönigin nämlich, „auch? Und wenn ich nicht zur Hetsch werde, dann kann sie vielleicht eine Prinzessin werden? Aber in welchem Haus sollen wir dann wohnen, wenn der Palast endgültig verfallen ist? Hier ein neues Haus bauen und dann die Natur wieder zerstören oder beeinträchtigen? Nein!“, dachte er „da ist es besser, ich werde Hetschenkönig; dann bin ich unserem Lebensraum eher angepasst! Und ich kann unser Reich mit meiner Königin besser regieren!“ Denn König wollte er ja nun doch bleiben.

Als sie nun bei einem schönen Frühlingstag so auf der verfallenden Palastgartenmauer saßen und sich der Schätze der Natur erfreuten, nahm er sie vorsichtig in die Hand, streichelte sie, drückte sie an sein Herz und gab Regina einen Kuss. Ihm wurde ganz anders! Mathilde erschrak zuerst, als sie sah, wie aus dem hübschen, starken König ein wunderbarer großer Hetschenkönig wurde, allerdings etwas kleiner als sie, die Hetschenkönigin.
Die beiden heirateten bald. Alle Tiere des Waldes, der Wiesen und der Felder waren zur Hochzeit geladen und beglückwünschten das Paar.

Die Bäume, Sträucher, Kräuter, Gräser und Blumen aus Nah und Fern schickten gelben Blütenstaub und viele Blütendüfte als Hochzeitsgrüße, sie konnten ja nicht kommen, denn sie sind ja leider am Boden fest gewachsen.
Selbst die Fische, die ja nur im Wasser überleben können, sprangen aus den Wellen des Maars und des Sammetbachs hoch, um dem Brautpaar zu gratulieren und die große Hochtzeitsgesellschaft zu bewundern. Die Trauung wurde abgehalten am Holzmaar und zwar vom Wassermann und der Moarjuffer (der Seejungfrau aus dem Holzmaar) höchstpersönlich. Die Brautleute trugen ihre Festtagskronen aus den Blüten des Sonnentaus auf den königlichen Köpfen.

Die Schleppe des wunderschönen Brautkleides aus grüner Entengrütze und gesponnenem Wollgras wurde getragen von den Wassernixen. Vorbräute waren die Blumenelfen. Sie hatten Blütenblätter von wohlriechenden Heckenrosen, Ginster, Veilchen, Gänseblümchen, Kirschbaum- und Schlehdornblüten gesammelt und streuten sie vor den Brautleuten aus. In der Luft wurde der Brautzug begleitet von den vielen Vögeln und bunten Insekten. Ganz oben im Himmel grüßten der Rote Milan, der Bussard, der Habicht, der Sperber und alle Falken. Die Eulen sahen dem Spektakel aus den alten Buchen heraus zu und grüßten mit kräftigem „uhu, uhu, komm mit, komm mit“.
Der Specht hatte keine Zeit, zur Hochzeit zu kommen. Er zimmerte noch an der erdnahen Waldhütte in einem Baumstumpf das Winterquartier für die Brautleute. Es sollte sein Hochzeitsgeschenk sein.

Wenige Wochen nach der Hochzeit ging das Hetschenkönigspaar zum Hetschenmäärchen. Dort bekamen sie viele Kinder. Das kleinste Maar der Eifel wird von den Menschen „Hetschenmaar“ genannt, weil es damals eine bedeutende Kinderstube der Kröten, Frösche und Molche war und heute noch ist.
Hin wieder besuchen sich die Familienmitglieder gegenseitig und plaudern von den alten Zeiten und von der tollen Hochzeitsfeier.

Übrigens:
Trauzeugen waren die alten Buchen-Baumelfen Traude und Praude.
Ihr glaubt mir nicht? Fragt doch die alten Bäume, die haben es gesehen!

(gewidmet am 29.03.2007: für Patricia)

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