Der kleine Klaus aus dem Nachbarort ganz nahe am Holzmaar hatte es schwer. Nicht weil er der kleinste von zahlreichen Geschwistern war, nicht weil seine Eltern sehr arm waren und in einem kleinen windschiefen Häuschen am Rande des Dorfes lebten, sondern weil er von Mutter Natur nicht mit körperlichen Schönheiten gesegnet war. Das mit seinen rötlichen Haaren konnte er noch ertragen, auch wenn ihn die Kinder im Dorf hänselnd „Rotfuchs“ riefen. Auch seinen kleinen Buckel wusste er mit Stolz zu tragen, auch wenn viele ihm darauf klopften, um zu hören, ob er innen hohl sei. Großmutter tröstete ihn stets und sagte, das hat der liebe Gott ganz bewusst so gemacht. Unter deinem Buckel verbergen sich jetzt schon kleine Engelflügel, die dich dereinst zu einem der schönsten im ganzen Engelreich machen werden. Aber dass er so viele hässliche Warzen auf den Händen und im Gesicht hatte, das war für Klaus gar schier unerträglich.
Was lachten ihn da alle aus, nannten ihn eine „Warzenkröte“, hatten Angst ihm die Hand zu reichen, um nicht auch Warzen zu bekommen und schüttelten sich mit einem Ausdruck, dem man deutlich Ekel ansehen konnte. So sehr Klaus auch seine Hände versteckte, tief in den Hosentaschen vergrub, die Warzen im Gesicht ließen sich nicht verbergen. Und wie oft hatte er Tränen in den Augen, wenn die Dorfkinder ihm Steine nachwarfen und Spottlieder sangen:
„Ene, mene, drex,
geküsst hat ihn die Hex,
vergessen wird ers nicht,
hat ihre Warzen im Gesicht!“
Als es eines Tages wieder ganz schlimm war mit dem Spott der Kinder, sah dies ein alter Scherenschleifer, der gerade im Dorf weilte. Er rief den kleinen Klaus zu sich und ließ sich von ihm den Grund seines Kummers erzählen. „Da weiß ich Rat“, meinte der Scherenschleifer. „Da hilft dir eine Kröte. Such dir eine solche und reib dir dann deren Blut über alle Warzen und du wirst sehen, sie werden verschwinden.“
Hoffnung erwachte wieder in Klaus. Das wollte er unbedingt ausprobieren. Und so machte er sich auf zu dem sumpfigen Moor, das die Leute „Hetschenmäärchen“ nannten. Dort, das wusste er genau, gab es viele Frösche und Kröten. Wie oft hatte er sie quacken und hüpfen gesehen, wenn seine Eltern mit ihm und den Geschwistern in der Nähe ihre kleine Wiese mähten und Heu machten.
Es dauerte auch nicht lange, und Klaus war am Rande des Sumpfes angekommen. Still und ruhig war es. Sanft rauschte der Wind in den Kronen der mächtigen Buchen im nahen Walde. Vögel sangen ihre Sommerfreude hinaus in die warme und klare Luft. Und dann hörte Klaus auf einmal ganz deutlich ein Quaken, nicht so knarrend und laut wie sonst, viel lieblicher und melodienreicher. Aber dennoch, es war ein Hetsch, eine Kröte. Langsam und vorsichtig näherte sich Klaus jener Stelle und dann sah er das kleine Tier. Auf einem kleinen Maulwurfhügel saß es, schien die Sonne zu genießen und hatte die kleinen Augen verschlossen. Ab und zu blies es seine Bäckchen auf wie kleine durchsichtige helle Blasen und ließ dann seinen Froschgesang ertönen.
Mit einem Sprung warf sich Klaus auf die Kröte und spürte ihr Zappeln in seinen Händen. Klaus freute sich. Nun würde es nicht mehr lange dauern, und das Blut dieser Kröte würde ihn endlich von seinen hässlichen Warzen befreien. Und Klaus sah sich die Kröte an und überlegte, wie er an ihr Blut kommen könnte. Totschlagen? Aufschneiden? Beine ausreißen? Und je mehr Klaus sich das Tierchen ansah, umso besser gefiel es ihm. Viel hübscher als andere Kröten sah es aus. Nicht braun, nein golden schimmerte seine Haut, und die kleinen schwarzen Augen waren goldgelb umrahmt. Die Beine so zart und klein mit blassrosa Schwimmhäuten. Und auf dem Kopf ein rötlicher Punktekreis, so als säße ein kleines Krönchen darauf. Ein Prachtkerl diese Kröte, so schön, wie Klaus noch keine gesehen hatte. Und die sollte er töten? Allerdings, so überlegte Klaus, gab es der Kröten viele und wenn das Blut einer ihn von den Warzen befreien würde, es würde sich doch lohnen, sie zu zerreißen. Andererseits, wenn es nicht half? Und wie er so grübelte, hörte er die leise knarrende Stimme der Kröte: „Lass mich leben. Mein Volk braucht mich, denn ich bin ihr König. Was nützt es dir denn, wenn du mich tötest?“
Und Klaus schaute dem Krötenkönig in die kleinen Augen und meinte: „Du hast Recht, meine kleine Kröte. Ich hätte dich auch nicht getötet. Denn was nützt neues Leid gegen mein Leid.“ Und dann erzählte er ihm all seinen Kummer. Und als Klaus endete und die kleine Kröte ganz behutsam am Wasserrande des Sumpfes niedersetzte, sprach diese: „Ich und mein ganzes Volk danken dir, denn du bist ein guter Mensch. Mitleid bedeutet mit mehr als Leid. Siehst du dort hinten am Waldrand die drei dicken Buchen, die aus einem Stamm hervorgehen. Grab dort.“ Und mit einem kräftigen Satz platschte der Krötenkönig ins Wasser und tauchte unter.
Klaus ging zu den drei Buchen, die aus einem Stamm emporwuchsen und grub mit seinen Händen an den Wurzeln. Es dauerte nicht lange, und er fand einen kleinen Beutel mit vielen Goldmünzen. Und hinter sich hörte er das freudige Knarren und Quaken unzählig vieler Frösche und Kröten. Klaus jubelte vor Freude und rannte so schnell er konnte nach Hause. Freudetrunken trat er ein, fiel Vater und Mutter um den Hals, drückte ihnen den Goldbeutel in die Hand. Nun hatte die Not ein Ende, nun konnten seine Eltern endlich ihre Schulden bezahlen und noch etwas Land kaufen.
Die Mutter herzte ihren Klaus und rief dann ganz verwundert. „Klaus, was ist denn mit dir geschehen!?“ Und da erst bemerkte es auch Klaus. Seine Warzen waren fort, seine Haut so rein und sauber wie mit Schnee gewaschen. Und Klaus erzählte alles, was er erlebt hatte und er und alle seine Nachkommen waren fortan die größten Beschützer aller Tiere, besonders der Frösche und Kröten.